Die Kolumne von Sylvie Brunel

„Das schlechte Beispiel“

Sri Lanka war eines der ersten Länder der Welt, das Pestizide verbot und auf Bio umstellte.

Angesichts der Nahrungsmittelknappheit, dem Zusammenbruch des wichtigsten Exportprodukts des Landes, dem Tee, und der Aufgabe von landwirtschaftlichen Flächen, die nicht mehr bebaut werden konnten, musste die Regierung des Landes zur Realität zurückkehren und in aller Eile die Verbote aufheben.

Besteht nicht die Gefahr, dass dies auch in Europa geschehen wird? Das „grüne Abkommen“ soll die landwirtschaftlichen Flächen um 10 % reduzieren, ein Viertel davon auf eine biologische Bewirtschaftung umstellen und den Einsatz von Pestiziden um die Hälfte verringern. Kurz: Es soll weniger teurer produzieren werden. In einer Zeit, in der die Preisexplosion vor dem Hintergrund von Covid weltweit zu einer Ernährungsunsicherheit und zu sozialen Aufständen führt: Schießen wir uns da nicht selbst in den Magen? Die Antwort lautet: „Aber nein! Wir produzieren zu viel.“ Ach ja? 150 Länder auf der Welt importieren ihre eigenen Lebensmittel. Nur wenige exportieren, darunter Frankreich. Aber auch das ändert sich zum Negativen, denn Obst, Gemüse und Hühner kommen zunehmend aus dem Ausland. Und sogar Mais, bei dem Europa zum weltweit größten Abnehmer geworden ist! Um uns zu ernähren und fossile Brennstoffe zu ersetzen, brauchen wir diese wundersame Pflanze, von der wir der weltweit größte Saatgutexporteur sind, so dringend wie nie zuvor. Der „Soldat Mais“, wie Erik Orsenna ihn nennt, wird beschuldigt, zu viel Wasser zu verbrauchen. Dennoch bindet er eine Rekordmenge an Kohlenstoff, indem er eine beispiellose Biomasse ohne ihresgleichen für grüne Chemie, Energie, Isolierung und natürlich Nahrung bereitstellt. Nur ein Viertel der Anbaufläche wird bewässert. Und in Frankreich mangelt es nicht an Wasser: Es werden weniger als 3 % des Niederschlags genutzt. Wir sind Weltmeister der Liebhaber von Privatpools, verbieten jedoch unseren Landwirten das Sammeln von Regenwasser, was bis zur Zerstörung von Wassertanks gehen kann, wie im Departement Deux-Sèvres in Frankreich geschehen. Dabei ist es jedoch wirklich notwendig im Kampf gegen den Klimawandel und um unsere Landschaften zu erhalten.

 

Und wir wollen auf keinem Fall von dem reden, der sich traut, sein Spritzgerät herauszuholen. „Bienenmörder! Giftmischer!“: Auf den Kopf des Unglücklichen prasseln Beschimpfungen nieder, wobei er uns doch nur ernährt und dabei vor Krankheiten schützt, von denen wir danken ihm vergessen haben, dass es sie gibt: das von Hieronymus Bosch

gemalte Antoniusfeuer, der Mehltau, der für die große Hungersnot in Irland verantwortlich war. Aber sie sind wieder zurück! Der Buchsbaumzünsler zerstört die Zierbüsche, der Pilz Chalara fraxinea zerstört das Grüne Venedig im Sumpfgebiet des Poitevin in Frankreich. Wie kann man nur so vergesslich sein? In armen Ländern zerstören Schädlinge die Hälfte der Ernten, Wolken gefräßige Heuschrecken oder heimtückischer Mykotoxinen. Hier das Mutterkorn, die Teufelswanze oder der furchtbare Stechapfel, ein ebenso gewalttätiges wie verführerisches Gift. Aber es soll ja nicht mehr gespritzt werden! Die Gentechnik soll aber auch nicht eingesetzt werden, um der Natur zu helfen, sich zu verteidigen. Dabei sind wir aber schon bei der 3. Dosis mit RNA-Impfstoffen, um unsere Gesundheit zu schützen!

Die Selbstmorde in der Landwirtschaft sind zahlreich und spiegeln das Unbehagen eines Berufsstandes wider, der durch unsere Undankbarkeit entmutigt wird. Die Landwirte haben das Gefühl, dass man immer mehr von ihnen verlangt, je mehr sie tun… und gleichzeitig egal was von überall her, aber Hauptsache billig importiert.

Dabei haben wir in Frankreich das unglaubliche Glück, eine familiäre und verantwortungsvolle Landwirtschaft zu haben, die weltweit zudem am nachhaltigsten ist! Und es ist Platz für alle da: Bio, kurze Kreisläufe, Direktverkauf, Bauernläden … aber auch leistungsfähige Betriebe, um die Städte zu ernähren, in denen vor Ort nur 2 % von dem erzeugt wird, was verbraucht wird, sowie kulturell defizitäre Länder. Seien wir mal realistisch: 9/10 % von dem, was wir essen, stammt aus der sogenannten konventionellen Landwirtschaft; ein irreführender Begriff, denn auch die konventionelle Landwirtschaft wird immer innovativer und grüner und arbeitet Hand in Hand mit dem Biobauern, und wird in Supermärkten gekauft.

Verbinden wir Modelle, anstatt sie gegeneinander auszuspielen, integrieren wir unsere Produzenten in regionale Ernährungsprojekte, die jedem einen Platz einräumen. Lasst uns mit ihnen die Wasserreserven , die die schönsten Landschaften entstehen lassen, anlegen. Ohne unsere Landwirte werden wir weder das Klima noch die Landschaft noch unsere Gesundheit retten können.

Und für lebendige Regionen braucht es respektierte Bauern! Wir sollten damit aufhören, Ihnen ständig zu erklären, wie die Natur funktioniert, und dabei unter ihrer Nase Lebensmittel kaufen, von denen wir nicht wollen würden, dass sie bei uns produziert werden, da sie weder das Sozialrecht noch die Umwelt, noch den Tierschutz respektieren – wichtige Themen, bei denen wir zu Recht wachsam sind. Vorausgesetzt, wir bleiben konsequent.

 

Sylvie Brunel, Schriftstellerin, Geographin.

Veröffentlicht am 20.11.2021 – SUD-OUEST – ECO – AGRICULTURE

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